Bündnis 90/Die Grünen in Nidderau


Haushalt 2009 abgelehnt by karlheinz50
2. Februar 2009, 11:32 am
Filed under: Pressemitteilungen

Haushaltsrede Fraktionsvorsitzender Karl-Heinz HerrStadtverordnetenfraktion B`90/Die Grünen

Nidderau, 30.1.2009

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben über einen Haushalt zu befinden, der einen Minusbetrag von nahezu 8 Mio Euro aufweist. Ein Haushalt, in welchem sich der Gesamtschuldenstand nunmehr auf fast 20 Mio beläuft.
Da gibt es heutzutage Oppositionsparteien, die nehmen das zum Anlass laut aufzuschreien, die „Regierenden“ als Schuldenmacher darzustellen und gleichsam Steuersenkungen zu fordern.
Dies alles werde ich uns ersparen.

Nach den Rekordeinnahmen des letzten Jahres war es vorhersehbar, dass wir in diesem Jahr wieder eine starke Delle –und ich hoffe, es ist nur eine Delle- zu überwinden haben. Und trotzdem müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir in Nidderau noch gut aufgestellt sind.
Der Sozialatlas des Main-Kinzig-Kreises belegt dies eindeutig. Auch im Jahre 2009 werden voraussichtlich die Einkommenssteueranteile in unserer Stadt weiter steigen.
Trotzdem sollten wir natürlich sparen; dort, wo es sinnvoll erscheint. Ich werde auf unsere Vorschläge hierzu noch zurückkommen.

Im Gegensatz zum letzten Jahr, werden wir diesen Etat ablehnen.
Nicht, weil die Zahlen so sind, wie sie sind, sondern weil die politische Richtung die im Haushalt erkennbar wird, so für uns nicht vertretbar ist.
Um es in der Sprache unseres Bürgermeisters auszudrücken:
„Auf dieses Bild wollen wir nicht mit drauf.“

In meiner Haushaltsrede 2008 hatte ich noch die Hoffnung ausgedrückt, durch sachbezogene verantwortliche Diskussionen zu Entscheidungen zu kommen, die richtungs- und zukunftsweisende Politik für Nidderau bedeuten.
Es gab ja auch einige hoffnungsvolle Ansätze, wie zum Beispiel das damalige Landtagswahlprogramm der SPD, das unter Federführung von Herrn Prof. Scheer durchaus eine fundierte Klimaschutzpolitik vorsah. Ja selbst das Wahlprogramm der Landes-CDU hatte ja hier durchaus fortschrittliche Aussagen getroffen.

Es gab die Hoffnung auf einen Regionalen Flächennutzungsplan, der es erstmals ermöglichte, dass Kommunalpolitik gezwungen wurde auch über den Tellerrand hinaus zu blicken.
Ich erinnere da an die Stellungnahmen des Regierungspräsidenten, der in der ersten Offenlegung des FNP Empfehlungen gab, die mit unseren im Parlament eingebrachten Anträgen und Vorstellungen konform gingen.
Aber die so genannte Große Koalition im Planungsverband und nicht zuletzt auch hier vor Ort hat es verstanden, diese Ansätze fast allesamt zunichte zu machen.
So beklagt heute selbst der sozialdemokratische Verbandsdirektor Wildhirt in Bezug auf die Streichung von Vorrangflächen für Windkraftanlagen: (Ich zitiere )
„Hier hätten es nach meinem Geschmack ruhig einige Flächen mehr sein können, denn wir können heutzutage nicht mehr auf regenerative Energieerzeugung verzichten. Das wollte die Mehrheit unserer Gremien aber nicht mitgehen.“

Viele unserer Anträge und Forderungen, gerade zum ökologischen Fortschritt, wie vor allem die umfassende Konzeptionierung zur CO2 Minderung wurden nur schleppend oder gar nicht umgesetzt.

Auch ist es uns nicht gelungen, trotz der von uns initiierten vermittelnden Ausschusssitzung mit der Nachbargemeinde und den Betreibern der dort geplanten Windkraftanlagen, ein Umdenken hier in der STVV herbeizuführen.

Ja, unser Bürgermeister ging sogar noch ein Stück weiter und sprach sich öffentlich für den Ausbau des Kohlekraftwerkes Staudinger aus.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, es ist ja nicht so, dass wir, oder die Landes-SPD, oder die sozialdemokratischen Landtagskandidaten, oder das Umwelt Bundesamt und andere Fachleute und Experten so blauäugig sind, um auf den Energieträger Kohle abrupt zu verzichten. Aber ein Neubau des Kraftwerkblockes 6 in Großkrotzenburg bedeutet eine Festlegung von mindestens 40 Jahren auf eine Stromerzeugungstechnologie des vergangenen Jahrtausends.

Dies ist nicht zu verantworten.

Genau sowenig, wie die flickschusterartige Ausweitung von Gewerbegebieten wie im Wallerweg, oder die Ausweisung von Flächen jenseits der B 521 in Eichen.
Aber, das sind „olle Kamellen“ die wir ganzjährig schon oft genug angeprangert haben.

Wir fragen uns aber in diesem Zusammenhang: Wann endlich werden wir hier in Nidderau die Herausforderungen des Demographischen Wandels zur Kenntnis nehmen?
Auf Antrag der Kreistagsfraktionen von SPD und CDU wurde bereits am 3. November 2006 eine Bevölkerungs- und Altersprognose für den MKK in Auftrag gegeben.
Landrat Erich Pipa schreibt dann bei der Vorstellung dieser Studie:
„Wir werden weniger, alter und bunter. Dies zeigt, dass der demographische Wandel an Fahrt gewinnt und nicht mehr aufzuhalten ist. Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, ihn zu gestalten. Die Zukunft in unseren Städten und Gemeinden muss neu gedacht, ..werden.“ Soweit also Erich Pipa.

Nach dem Demographiebericht der Bertelsmann Stiftung ist Nidderau, obwohl im Speckgürtel Frankfurts liegend, als suburbaner Wohnort mit rückläufigen Wachstumserwartungen anzusehen.
In der Frankfurter Neuen Presse vom 11.12.2008 meint Herr Niehoff dazu: „ Gemeinden, die bisher sehr auf Expansion gesetzt haben müssen voraussichtlich umdenken.“

Meine Damen und Herren, tun wir es!!!

Lassen wir die Finger vom ständigen Ausweisen von Gewerbe- und Baugebieten in den unterschiedlichsten Ecken unserer Stadt.
Konzentrieren wir uns darauf, eine Innen- statt die Außenentwicklung unserer Ortsteile zu fördern.
Die bereits erwähnten einkommensstarken und hoch qualifizierte Beschäftigte müssen wir an unseren Wohnstandort binden. Dazu gehört vor allem der qualitative Ausbau der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche.
Die Wohnbedürfnisse älterer Menschen sollten in Zukunft verstärkt befriedigt werden. Mehrgenerationenwohnen sollte gefördert und moderne Wohn- und Pflegevorstellungen älterer Mitmenschen berücksichtigt werden.

Auch dies liebe Kolleginnen und Kollegen ist nicht das grüne Rad, das wir neu erfunden haben, sondern das sind alles „Empfehlungen zur kommunalen Wohnungspolitik“ vom Planungsverband Rhein/Main.

Merken Sie eigentlich, dass ich bei der Vorstellung von „Erkenntnisgewinnen“ längst nicht mehr nur auf Grüne Quellen angewiesen bin?

Mein eindringlicher Wunsch wäre, parteipolitische, ideologische Vorbehalte beiseite zu legen, um einfach gemeinsam zu versuchen, die Erkenntnisse umzusetzen, die unabhängig von Parteizugehörigkeit die Leute empfehlen, die sich professionell mit der jeweiligen Materie auseinandersetzen.

Ich zitiere noch einmal aus der Studie des Main-Kinzig-Kreises:
„Die Zeit, die man in der Demographiepolitik verstreichen lässt, kann nie wieder aufgeholt werden.“

Man braucht gar keine Bertelsmann Studie zu lesen, um Eindrücke vom demographischen Wandel zu bekommen. Nein es genügt ein Rundgang durch unsere Ortskerne, wo Wohnleerstand und zu verkaufende Häuser in einer Anzahl zu erkennen sind, wie ich es noch nie wahrgenommen habe.

Auch das Studium der uns hier vorliegenden Anträge verdeutlicht die Sachlage:
Da möchte die CDU die Grundstückspreise in Erbstadt und in Eichen senken, weil keine Kaufinteressenten da sind. Dem stimmen wir zu, weil wir der Ansicht sind, dass auch „normal Verdiener“ bezahlbares Wohneigentum ermöglicht werden sollte. Bauchschmerzen machen uns da nur die langjährigen Erfahrungen, dass nach Verkauf dieser Grundstücke sofort wieder neue Baugebiete ausgewiesen werden.

Auch der CDU-Antrag, 5.000,- Euro zur Verfügung zu stellen, damit diese Grundstücke besser vermarktet werden können ist nicht mehr als ein Offenbarungseid dessen, was ich seit ca. 10 Minuten ausgeführt habe:
Hier wurden Baugebiete nicht marktgemäß ausgewiesen.

In seiner Haushaltsrede zur Einbringung des Etats erklärte am 27. November 2008 Herr Bürgermeister Schultheiß (ich zitiere):
„Der Ruf nach einer Fortschreibung des Konsolidierungsprogramms wird kommen, aber hier fordere ich von jenen, die immer wieder Einsparpotenziale erkannt haben wollen, diese konkret zu benennen.“

Dies, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren haben wir mit unseren vier Antragen haargenau umgesetzt, womit bescheidene 120.000,- € einzusparen sind.
Besonders erwähnen muss ich unseren Antrag Nr. 4. Nicht, weil dort 10.000€ eingespart werden könnten, sondern weil die Ausweisung von 10.000€ für die Neue Trasse Ortsumgehung Ostheim absolut absurd ist.
Hier soll eine Aktivität vorgegaukelt werden, die vollkommen unrealistisch ist. Wir beteiligen uns nicht daran, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen.

Andere konkrete Einsparpotenziale haben wir im vergangenen Haushaltsjahr dargelegt. Wir konnten uns aber nicht durchsetzen. Vielleicht ist das ja einer grünen Naivität geschuldet, dass man mit den städtischen Haushaltsmitteln ähnlich vorsichtig umgeht, wie mit den privaten zu Hause, dass man weniger Wert legt auf Prestigeobjekte und repräsentative preußische Gründlichkeit. Aber, das ist Schnee von gestern.

Dem CDU-Antrag Nr. 4, bei dem Stellenplan zunächst den Status quo zu erhalten können wir nicht zustimmen. Hier können wir uns eher der Position des Bürgermeisters anschließen, der meint, dies an Einzelbeschlüssen festzumachen.
Und – ehrlich gesagt, Herr Dr. Rudolph, der Antrag riecht so ein bisschen nach Eigentor. Da habe ich voller Freude vernommen, dass die geschäftsführende Landesregierung mit der Sozialministerin Lautenschläger die Mindeststandards bei den Kindertageseinrichtungen erhöht hat und durch mehr Personal und kleinere Gruppen eine grundlegende Verbesserung erzielen will. Ein Anliegen, mit dem Frau Lautenschläger bei uns doch offene Türen einrennen sollte. Oft genug habe ich hier und in dem Ausschuss darauf hingewiesen, dass die hessischen Vorgaben den Standards anderer Bundesländer hinter herhinken.

Zum 1.9. tritt dieses Gesetz in Kraft. Wir möchten aber gerne, dass diese Standards so schnell als möglich in Nidderau umgesetzt werden auch wenn dadurch gegebenenfalls der Stellenplan im Bereich der Kitas auszuweiten ist. Denn wir sollten zusehen, dass die möglicherweise erforderlichen zusätzlichen Pädagogischen Kräfte eingearbeitet und die Gruppen am 1.9. spätestens umstrukturiert sind.
Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

Den Antrag der FWG-Fraktion auf vorläufigen Sperrvermerk für die Feuerwehrinvestitionen unterstützen wir.
Damit aber die Feuerwehren nicht unnötig lange hingehalten werden, haben wir ja den Antrag auf Einrichtung der Zukunftswerkstatt heute eingebracht. Damit dies tatsächlich eine perspektivische Zielsetzung verfolgt, sollte der HFA in seiner nächsten Sitzung über Zusammensetzung und Struktur der Zukunftswerkstatt befinden. Der FWG-Antrag ist somit logisch und sinnvoll, die HFA-Beschlusslage ist für uns nicht nachvollziehbar.

Zum Schluss möchte ich mich mit dem SPD-Antrag, den Ansatz der Investition für die Planung der Nidderquerung, oder wie es jetzt heißt, zur „Erschließung der Naherholungsgebiete Nidderaue und Ohlenberg“ vorzuziehen, auseinandersetzen.
Sicher wissen Sie noch, dass ich in meiner HH-Rede 2008 dieses Projekt vehement abgelehnt habe. Nun muss ich zugeben, dass die Ausführungen des Prof. Mürb auf der Veranstaltung im ev. Gemeindehaus auch mich beeindruckten.
In Diskussionen innerhalb unserer Partei und nach Aussagen von Naturschutzverbänden ergab sich dann tatsächlich das Bild, dass die Nidderaue in diesem Bereich –als Hundetoillette benutzt- kaum ökologisch bedeutsam ist.
Unter der Maßgabe, dass dem Hochwasserschutz im Besonderen Rechnung getragen wird, worauf wir achten werden, möchten wir diesen Antrag ausdrücklich unterstützen und auch die Überlegungen der CDU einen Rundweg zu gestalten, mit einbeziehen.

In der Hoffnung, dass solche Umdenkungsprozesse auch in anderen Parteien und bei anderen Themen stattfinden und wir dann womöglich dem Haushalt 2010 zustimmen können, bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen glückliche und fundierte Entscheidungen im laufenden Haushaltsjahr.